Die letzten Wochen seit unserer Guschti-Reparatur-Zwangspause in Atico sind unglaublich schnell durchgerast. Wir haben seitdem eine erlebnisreiche Zeit hinter uns und hätten nichts dagegen, wenn es mal wieder ein wenig ruhiger zugeht. Nach der Verabschiedung von unserer peruanischen Familie in Atico, ging es entlang der Küste nach Nasca, wo wir uns die berühmten Nasca-Linien ansahen, bei denen sogar die Deutsche Maria Reiche sehr viel Zeit zum Freilegen, Ausmessen und Aufzeichnen verbracht hat. Auf einen abenteuerlichen Flug, um den Bilderteppich aus der Luft zu sehen, haben wir allerdings verzichtet.
Wir merken auf jeden Fall, dass wir in den weniger sicheren Ländern Peru und Ecuador unterwegs sind, wo wir viel mehr Aufmerksamkeit walten lassen müssen.
Angefangen hat es mit dem Diebstahl unseres Hockers, den wir zum Einsteigen in die Wohnkabine hatten, dann wurden wir von der Kassiererin im Supermarkt bestohlen, die an der Kasse nach dem Bezahlen meine sündhaftteuren Twix-Schokoriegel nicht in unsere Plastiksäcke gesteckt hat sondern in ihrer Tasche verschwinden liess, dann wurde Romans Kreditkarte im Restaurant mit einem zusätzlichen Betrag belastet – den kleinen …ixer schnappen wir uns allerdings noch, weil wir dort sowieso nochmal durchkommen!! Bei einem kleinen Unfall, bei dem Roman ein Auto neben uns gerammt hat, wollte der für seine Schrottkiste, an der wirklich eh schon alles kaputt war und die eigentlich schon gar keinen Lack mehr hatte einen „horrenten“ Betrag für eine neue Lackierung. Anstatt seiner geforderten 30 CHF boten wir ihm 15 CHF. Da er nicht einverstanden war, rannte ich auf die andere Strassenseite zu einer vorbeifahrenden Polizeipatrouille. Nachdem ich auf der Rücksitzbank sass, ging es mit Hupen und Horn durch den Verkehrsstau bis zur nächsten Kreuzung um dort zu kehren und nochmals mit Hupen und Horn die 300 Meter zurück zu unserem Guschti zurückzulegen… der Kollegenbonus griff hier relativ schnell und obwohl wir ja tatsächlich Schuld waren, sagte der Polizist, dass wir dem anderen nichts zahlen müssen, freiwillig aber etwas geben können. Als „Entschädigung“ spendeten wir dann 10 CHF an seine Kinder….Einen Tag später wollte uns ein Polizist dann doch tatsächlich eine Busse für das Benzin in unseren Ersatzkanistern abknöpfen und zu guter Letzt wäre ich noch fast meinen internationalen Führerschein losgeworden, weil ich versehentlich bei Rot über die Ampel gefahren bin. In Nasca sind wir auf einen Trickdiebstahl reingefallen und haben 150 CHF Lehrgeld bezahlt, während wir in Quito zu viert unterwegs waren und wir so den Trickdiebstahl noch in letzter Sekunde verhindern konnten. Mittlerweile können wir über unsere eigene Dummheit lachen, weil die Trickdiebe uns in Nasca wirklich genau im richtigen Moment erwischt haben, wo wir uns über viele andere Sachen den Kopf zerbrochen haben. Das lustigste aber ist, dass wir sogar noch ein Foto von dem Täter gemacht haben und der das auch noch toll fand!
Die Anzeigenerstattung bei der Polizei in Nasca hat uns aufgrund unserer gemeinsamen Berufsgattung zu einem Dienstabzeichen des Dienststellenchefs verholfen, mit der wir dann wenigstens unbeschadet durch jede Polizeikontrolle gekommen sind. Vor allem, als ich tatsächlich bei Rot über die Ampel gefahren war und uns ein Polizist auf seinem Motorrad mit der Trillerpfeife im Mund hinterherraste und stoppte. Nachdem er mir zuerst erklärt hatte, dass man hier in Peru nicht bei Rot über die Ampel fahren dürfe, erklärte er mir, dass ich jetzt meinen Führerschein abgeben muss und wir natürlich noch eine Busse zahlen müssen. Als wir die Plakette von dem Chief in Nasca zeigten und sagten, dass wir Kollegen seien, war er nachsichtig und liess uns weiterfahren.
Die Hauptstadt Lima haben wir lediglich auf der Panamericana durchquert – schliesslich hatten wir unser Lehrgeld für Trickdiebstahl schon bezahlt und Lima ist eh nur ein stinkender Moloch mit einigen wenigen Vierteln, in denen man sich angeblich sehr gut bewegen kann.
In Trujillo/Huanchaco legten wir eine 3-tägige Erholungspause am Strand ein und besuchten die ehemals grösste Lehmziegelstadt der Welt.
Nach Lima ging es weitere 1500 km durch Staub, Hitze, Einöde und wir waren nach mittlerweile ca. 4000 km Wüste kurz davor einen Wüstenkoller zu bekommen, als sich etwa 200 km vor der Grenze zu Ecuador endlich grüne Pflanzen zeigten.
Die Einreise nach Ecuador war schnell erledigt. Das erste Mal, dass tatsächlich mal jemand die Fahrgestellnummer mit dem Fahrzeugausweis verglichen hat…
Die ersten 2 Tage waren wir zum ersten Mal auf unserer Reise ohne Fahrzeugversicherung unterwegs, bis wir in der nächsten Stadt eine Versicherung abschliessen konnten. Nach 2 Stunden Rumtelefonieren und etlichem Papierkram, stellte sie uns dann die Versicherungspolice für einen Monat aus – für 5 USD!! Heie, das hat sich für die auch nicht rentiert und als wir die Versicherungsbedingungen durchlesen und sehen, dass für einen Unfalltoten gerade 5000 USD gezahlt werden, hm – also das ist nicht sehr viel….
Unsere Reise brachte uns nach Riobamba, wo wir den berühmten Samstagsmarkt besuchen wollten - und wenn wir bis dahin noch keinen Kulturschock gehabt haben, so hatten wir ihn anschliessend. Hier konnte man alles kaufen, sämtliche Fisch- und Fleischteile inkl. Hühnerköpfe, eingepferchte Küken, Babyhunde, lebende Ziegen und Hühner, die an den Füssen hängend durch die Gegend getragen wurden, usw...
In Ecuador planten wir aber hauptsächlich einen Besuch von Amazonien oder auch Oriente genannt. Auf unendlich langen kurvenreichen Fahrten durch das Hochland mit wunderschönen Aussichten in die Täler erreichten wir pünktlich zu Ostern den Wallfahrtsort und Touristenmagnet Banos. Der Gottesdienst am Sonntagmorgen, der zu jeder vollen Stunde begann, war wieder einmal sehr interessant und wie alles in Südamerika – chaotisch. Schreiende Kinder, sodass man den Priester fast nicht verstand, die Menschen, die keinen Sitzplatz hatten, sassen einfach auf dem Boden und zur Kommunion musste der Pfarrer mehrmals für Ordnung sorgen, da es die Menschen nicht fertig brachten, sich in Zweierreihen anzustellen. Danach besuchten wir den Zoo, in dem wir vor allem die Galapagos-Schildkröte sehen wollten (nachdem wir uns aufgrund unseres Zeitmangels gegen einen Trip auf die Inseln entschieden haben.) Danach schauten wir noch beim Bungee-Jumping vorbei, aber es wollte sich an diesem Tag einfach niemand die 300 Meter in die Tiefe stürzen.
Von Banos war es ein kurzer Weg nach Tena, einer Stadt mit sehr guten Zugangsmöglichkeiten für Dschungeltouren. Wir suchten den Deutschen Jens auf, der dort ein Büro hat und auf seiner Mundopuma-Lodge im Dschungel „Ruhe für Zivilisationsmüde“ anbietet. Da es allerdings schon sehr spät war, wollten wir diese Nacht noch in Tena verbringen und am nächsten Tag dann erst in den Dschungel raus. Nach zwei negativen Anfragen in Hostals, ob wir mit unserem Auto auf ihrem Parkplatz stehen dürfen, buchten wir uns in einem anderen Hostal ein Zimmer. Danach verbrachten wir den Abend mit Jens und seinen deutschen Volontären in einer gemütlichen Bar am Fluss. Den ganzen Abend schüttete es wie aus Kübeln und wir kamen um 2400 Uhr pitschnass zurück zum Hotel. Als ich am nächsten Morgen aufstand, kam mir die Besitzerin des Hotels weinend entgegen und zeigte mir mehrere dreckverschmierte Koffer und Klamotten auf der Ladefläche eines Pickups. Der heftige Regen liess die Flüsse so stark ansteigen, dass eine Flutwelle gegen 0200 Uhr nachts ganze Häuser entlang des Flussufers wegschwemmte. Ihr Sohn konnte sich gerade noch retten, aber andere Einwohner haben wohl alles verloren. Wir gingen sofort los in Richtung Zentrum um uns anzusehen, was passiert war. Als wir die Bar sehen, in der wir noch bis Mitternacht sassen, wurde uns anders. Die Bar wurde ebenfalls von der Flutwelle überspült und das Hostal, in dem sie uns nicht parken lassen wollten, stand ebenfalls unter Wasser. Wir waren echt geschockt und uns wurde in diesem Moment bewusst, wie unendlich grosses Glück wir hatten…
Am Nachmittag fuhren wir zur Lodge, wo wir unser Auto bei den Volontären abstellen konnten und anschliessend 30 Minuten durch den Dschungel zur Lodge gehen mussten. Der erste Blick in unsere Zimmer und mir war klar: oh Gott, da wimmelts ja nur so von Viechern, das Bett ist voll durchgelegen und auch sonst haben wir uns das ein klein bisschen luxuriöser vorgestellt. Ausser uns war ein österreichisches Pärchen, Ramiro – der Dschungelguide- und Nadine – eine deutsche Volontärin zur Aufforstung des Regenwaldes anwesend. Ramiro und Nadine bereiteten uns gerade das Abendessen, als wir aus der Küche ein „ups“ hörten. Aus dem leichten Unterton konnten wir erkennen, dass wohl irgendein Tier anwesend ist. Was ist denn? Ach – äh- hier ist eine Tarantel in der Küche…Auch wenn das der Alptraum schlechthin ist, müssen wir natürlich schon mal schauen und ein Foto knipsen….Nach diesem Vorfall möchte ich dann lieber nicht ins Bett und mir wär lieber, wir sitzen hier einfach die Nacht ab, am besten in der Nähe von Ramiro, der keine Angst vor nichts von dem Viecherzeug hat. Er meinte, wir können ruhig ins Bett, wenn irgendwas wär, sollen wir einfach ganz laut nach ihm schreien, dann kommt er sofort….Das Moskitonetz in unserem Zimmer hatte schon bessere Zeiten und wenn es dann auch so gross gewesen wäre, dass man es über die komplette Matratze hätte ziehen können, hätte ich vielleicht doch ein paar Minuten geschlafen. Dankbar über die ersten Sonnenstrahlen, sprang ich raus aus dem Bett und es war klar, dass Dschungel nichts für uns ist und wir es dann lieber bei der einen Nacht belassen. Nach einem leckeren Frühstück gingen wir 5 Stunden durch den Regenwald und einen botanischen Garten, schwangen uns wie Tarzan an Lianen herum und kletterten auf einen 35 Meter hohen Aussichtsturm, wo wir über die Baumwipfel des Regenwaldes sehen konnten. Im botanischen Garten erklärte uns Ramiro – als Sohn eines Schamanen – die Heilkräfte der verschiedenen Pflanzen und wie sie angewendet werden…Unglaublich interessant! Roman ass Zitronenameisen, nahm todesmutig eine tote Tarantel auf die Hand, wir konnten die Frucht um die Kakao-Bohne essen und wir bekamen Ameisen zu Gesicht, vor denen selbst der sonst so unerschrockene Ramiro Respekt hat. Die kleinen Ameisen kriechen in die Ohren und erzeugen so einen furchtbaren Lärm und Schmerz oder die Conga-Ameisen, die durch ihren Stich den Schmerz eines Skorpions erzeugen…Ne, das ist alles nix für uns….
Nach der Regenwaldtour packten wir unsere Rucksäcke und gingen die halbe Stunde zurück zu unserem Auto, um uns im benachbarten Dorf Misahuali mit den Münchnern Alex, Susi und Jakob zu treffen. Es war ein tolles Wiedersehn, wir haben uns so gefreut, die 3 wiederzusehen. Zusammen mit unserem Buschboy und Nadine verbrachten wir den Abend in einer Bar in dem ebenfalls vom Hochwasser stark mitgenommenen Örtchen. Auf dem zentralen Platz des Dorfes ist eine Gruppe von Kapuzineräffchen zu Hause, die einem alles klauen, wenn man nicht aufpasst. Sogar das Geld ziehen sie einem aus der Hosentasche. Einer ist auf Jakob zugerannt , hat ihn an seinen süssen blonden Locken gepackt und voll umgeschmissen. Er hat natürlich geschrien wie am Spiess, - natürlich ist es nicht zum Lachen, aber ein bisschen witzig sah es schon aus…
Am nächsten Tag liessen wir uns vom Buschboy Ramiro noch in das Quechua-Dorf Shirapuna bringen, wo wir ein bisschen mehr über das Leben der Indigenas erfahren wollten. Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, denn durch das Hochwasser wurde auch hier vieles zerstört. Aber - wir können durch unseren Besuch (und natürlich unser Geld) einen kleinen Beitrag zum Wiederaufbau leisten...Zuerst durften wir uns den Unterricht in der Dorfschule ansehen und danach mussten wir die Zutaten für unser Mittagessen selbst ernten und zubereiten…
Nach 2 Nächten am Dorfplatz von Misahuali, fuhren wir in Richtung Quito, wo wir dann noch 2 weitere Tage mit den Münchnern verbrachten. Leider ist nun endgültig unsere gemeinsame Reiseroute zu Ende, da für uns der Zeitpunkt der Umkehr gekommen ist und Alex und Susi weiter nach Kolumbien ziehen. Nach dem „Ende der Welt“ in Ushuaia/Argentinien haben wir uns für unsere Umkehr den Äquator ausgesucht. Nach dem Besuch des Denkmals „Mitad del Mundo“ – Mitte der Erde – etwas ausserhalb von Quito, sind wir umgekehrt und fahren nun wieder in Richtung Peru….Hierbei sei erwähnt, dass sich das Denkmal etwa 100 Meter neben dem tatsächlichen Äquator befindet, weil man sich vermessen hat....
Mit Entsetzen mussten wir vorhin aus dem Internet entnehmen, dass letzte Woche die Panamericana – die einzige Nord-Süd-Achse Perus - von Demonstranten blockiert wurde und es bei Auseinandersetzungen mit der Polizei 5 Tote gab. Wir hoffen sehr, dass sich die Lage wieder beruhigt und die Route von Lima nach Cusco nicht besetzt wird.